Mit den X. Leipziger Universitätsmusiktagen vom 1. – 7. Dezember 2017 beginnt für die Universitätsmusik Leipzig eine neue Zeit: fast 50 Jahre nach der Sprengung der historischen Universitätskirche St. Pauli durch das DDR-Regime wurde am vergangenen Freitag
die neu errichtete Paulinerkirche und Aula der Leipziger Universität feierlich eingeweiht. In diesem neuen Raum werden nun wieder Konzerte und Gottesdienste stattfinden, haben Universitätschor und -orchester für ihre Aufführungen einen eigenen Ort.
2009 sollte der neue repräsentative Raum der Leipziger Universität fertig sein. Am 1. Dezember 2017 wurde er nun schließlich seiner Bestimmung übergeben.
Lange Auseinandersetzungen waren der Fertigstellung vorausgegangen. Der Bau, der an der Stelle der am 30. Mai 1968 gesprengten Universitätskirche St. Pauli steht, sollte nach Meinung der einen keine Kirche sein und eine säkulare Nutzung ausdrücklich erlauben, andererseits brauchen die Universitätsgottesdienste eine wirkliche Heimstatt nach über 50jährigem Exil in der Nikolaikirche.
Nun ist ein imposantes Bauwerk entstanden, das in überzeugender Weise an die einstige Paulinerkirche erinnert und dennoch unübersehbar die Züge zeitgenössischer Architektur trägt: ein lichtdurchfluteter Raum mit teilweise in der Luft schwebenden Säulen, deren Glasoberfläche von innen durchleuchtet wird. Die beabsichtigte Nutzung als Kirche und Aula drückt sich in der Raumdisposition aus: Eine durchsichtige Plastikwand trennt den am Augustusplatz gelegenen Andachtsraum von der Aula, die vielfältig für Kongresse, Disputationen und andere akademische Veranstaltungen genutzt werden kann. Beide Räume sind vereinbar, so dass Gottesdienste und Konzerte im Gesamtraum stattfinden können. Folgerichtig gibt es zwei Orgeln: die Schwalbennest-Orgel der Schweizer Firma Metzler im Andachtsraum rechts in großer Höhe und die Hauptorgel des Dresdner Orgelbauers Jehmlich auf der Westempore. Beide Orgeln fügen sich mit weißem Gehäuse in die Farbgebung des Gesamtraumes ein, sind jedoch stilistisch unterschiedlich orientiert. Die Schwalbennest-Orgel eignet sich besonders für die Interpretation von Orgelmusik der Renaissance und des frühen 17. Jahrhunderts. Die große Orgel, die über 46 klingende Stimmen verfügt, lehnt sich in ihrer Disposition an die 1711 – 1716 von Johann Scheibe in der Paulinerkirche erbaute Orgel an.
Mit einem Festakt und dem Eröffnungskonzert am 1. Dezember sowie dem Einweihungsgottesdienst der Universitätskirche am 3. Dezember wurde das neue Gebäude nun seiner Bestimmung übergeben. Dazwischen, am 2. Dezember, hatten die Leipziger Bürger Gelegenheit, den neuen Raum zu besuchen und ein Konzert „Luther – woher/wohin“ zu besuchen. Prof. Dr. Beate Schücking, die Rektorin der Leipziger Universität, führte durch den Festakt, zu dem zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gekommen waren. Der feierlich einziehende akademische Senat überraschte durch die Vielfalt seiner Erscheinungsbilder.
Die kirchliche Weihe der Universitätskirche lag in den Händen von Landesbischof Dr. Rentzing unter Mitwirkung der ordinierten Theologen der Leipziger Fakultät. Universitätsprediger Prof. Zimmerling hielt die Predigt. Auch der katholische Bischof von Dresden–Meißen, Timmerevers, war anwesend und las das Evangelium. Besonders bewegend war es, als Pfarrer Nikolaus Krause die Kerzenleuchter zum Altar brachte: Er war zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, nachdem er 1968 Unterschriften gegen die Sprengung der Paulinerkirche gesammelt hatte.
Die musikalische Konzeption und Gestaltung der Veranstaltungen lag in den Händen von UMD David Timm, der Mitglied des Direktoriums der NBG ist. Er wirkte höchst aktiv mit: als Dirigent, Organist, Klavierimprovisator und Komponist. Die Programme spannten einen weiten stilistischen Bogen von der Gregorianik über Renaissance, Barock und Romantik bis zur zeitgenössischen Musik, von Schola, Orgel und Chor bis zur Bigband.
Die Programmgestaltung erwies sich in ihrer Vielfalt dennoch als inhaltlich höchst geschlossen und überzeugend. Dies galt auch für den Weihegottesdienst am ersten Advent. Die Fragen nach veralteter Kirchenmusik und unverständlichem zeitgenössischen Schaffen stellten sich nicht. Gregorianischer Gesang, die Bachkantate BWV 61 „Nun komm, der Heiden Heiland“, freie Improvisationen und Bigband-Arrangements zu Adventsliedern aus der Feder von David Timm – sie standen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern brachten einander gegenseitig zum Leuchten. Hochrangige Solisten und Ensembles boten dafür beste Voraussetzungen. Besonders hervorzuheben ist die musikalische Zusammenarbeit von Universitätsorganist Daniel Beilschmidt mit David Timm an den beiden Orgeln.
Am Ende des Universitäts-Festakts wie des Eröffnungskonzerts stand Bruckners Te Deum. Keinen besseren Abschluss hätten diese Veranstaltungen finden können. Der Leipziger Universitätschor wirkte dabei mit dem MDR-Rundfunkchor zusammen; es entstand ein höchst intensiver, strahlender Chorklang. Dass im Leipziger Universitäts-chor nach wie vor zahlreiche junge Menschen voller Begeisterung alljährlich das Weihnachtsoratorium und eine Passion von J. S. Bach, dazu aber auch viele andere anspruchsvolle Werke singen, ist ein Hoffnungszeichen für die Zukunft. Timm setzt dabei die profilierte Arbeit von Friedrich Rabenschlag, Hans-Joachim Rotzsch, Max Pommer und Wolfgang Unger auf gleichem Niveau fort. Mit dem Dank an David Timm verbinden sich die besten Wünsche für seine weitere Arbeit und eine herzliche Gratulation zur kürzlich erfolgten Ernennung zum Honorarprofessor der Leipziger Musikhochschule.
Christfried Brödel
Vorstandsvorsitzender